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Lieber 1000 Freund*innen im Rücken, als eine Bank im Nacken – Die Finanzierung

Ihr wollt das vielleicht zu Beginn nicht glauben, aber die Finanzierung ist nicht der schwierigste Teil bei der Realisierung eures Wohnprojekts. Auf dem Weg zum Haus habt ihr wahrscheinlich das erste Mal mit sechs- oder sogar siebenstelligen Beträgen zu tun. Deswegen ist es zunächst wichtig, die Angst vor solchen Summen zu verlieren. Ein ganzes Haus kostet nun mal und: Geld gibt es genug und Schulden machen können wir auch!

Da im Regelfall niemand genug Geld auf der hohen Kante hat, um ein ganzes Mehrparteienwohnhaus zu kaufen, finanzieren sich die Projekte im habiTAT zum überwiegenden Teil über Kredite. Ein möglichst großer Teil kommt dabei über Direktkredite zustande, sprich durch Darlehen von Privatpersonen ohne den Umweg über eine Bank. Der dann noch fehlende Betrag kommt aus Hypothekardarlehen von Banken. Ihr erfahrt dazu mehr in den Folgekapiteln.

Die Bankkredite zahlt ihr und alle zukünftigen Bewohner*innen dann über die Jahre in Form eurer Miete wieder zurück. Das Haus wird also nach und nach entschuldet und gehört sich so mehr und mehr selbst bzw. immer genau den Leuten, die darin wohnen – also bis auf Weiteres euch. Die Direktkredite hingegen werden nur sehr langsam – oft auch gar nicht – getilgt. Wenn ein Direktkredit ausläuft, wird das Geld einfach durch einen neuen Kredit von einer anderen Person, ausgetauscht.

Zu Beginn solltet ihr erst mal mit dem Finanzierungsplan vertraut werden. Dieses Wunderwerk einer Tabellenkalkulation wurde vom Mietshäusersyndikat aus deren jahrzehntelanger Erfahrung destilliert und von uns noch ein kleines bisschen an die österreichischen Bedingungen angepasst. Der Finanzierungsplan hilft euch schon während der Haussuche bei der Orientierung und dient in weiterer Folge dann als euer Geschäftsplan, den ihr später für die Bank und die Direktkreditgeber*innen braucht. Aus ihm könnt ihr jederzeit alle wichtigen Zahlen für euer Projekt ablesen.

Mit dem Finanzierungsplan könnt ihr in sehr wenigen Schritten herausfinden, ob ein Haus finanzierbar ist und vor allem wie viel Miete ihr bezahlen müsstet, um genug Geld für die Kreditraten zu haben und dafür das Haus in Schuss zu halten. Habt ihr ein interessantes Haus gefunden, reicht es anfangs ungefähre Werte anzunehmen, damit ihr eine erste Einschätzung bekommt, ob das Haus überhaupt finanzierbar ist. Anschließend sollten diese Annahmen aber nach und nach konkretisiert und durch belastbare Zahlen ersetzt werden. Wichtig ist, dass ihr euch euer Haus nicht schön rechnet! Es kann sehr verlockend sein dort den angenommenen Kreditzins noch ein wenig zu senken, da bei den Kaufnebenkosten wegzustreichen oder die Instandhaltungskosten zu kürzen – nach dem Motto „wir machen das ja eh alles selbst!“. Wenn am Ende jedoch die realen Zahlen da sind, müsst ihr auch die reale Miete zahlen, ihr würdet euch also nur selbst belügen. Es ist außerdem immer schöner am Ende heraus zu finden, dass eure Miete doch noch ein wenig sinkt, als dass ihr sie nach und nach aufgrund zu optimistischer Zahlen hinaufsetzen müsst.

Der Finanzierungsplan enthält bereits einige Ausfüllhilfen und Erklärungen. Um euch das Erstellen zusätzlich noch etwas zu erleichtern, haben wir die einzelnen Elemente in einem Detailkapitel ausführlich erklärt.

Das Ziel der Direktkredite ist es zu verhindern, dass Menschen aufgrund ihrer finanziellen (Un-)Möglichkeiten vom Wohnen in eurem Hausprojekt ausgeschlossen werden. Wollt ihr einen Kredit für den Kauf oder den Bau eines Hauses bekommen, müsst ihr normalerweise eine ganze Stange Geld – ca. ein Drittel der Kosten - als Eigenkapital einbringen. Viele Gemeinschaftsprojekte lösen das durch eine verpflichtende Einlage der zukünftigen Bewohner*innen. Diese kann jedoch schnell 30.000€ oder sogar noch um einiges mehr betragen und das ist für Viele einfach nicht leistbar. Die Lösung des Problems sind Kredite, die ohne den Umweg über die Bank direkt von Privatpersonen an das Projekt gehen. Das Geld kann von den Bewohner*innen selbst kommen, aber eben auch von Freund*innen, Bekannten oder einfach von Menschen, die eine sinnvolle Anlagemöglichkeit für ihr Erspartes suchen. Durch die Nachrangigkeit der Darlehen gelten diese bei der Bank als Eigenkapital und machen das Projekt schließlich kreditwürdig.

Nachrang: Nachrang bedeutet, dass Kreditgeber*innen keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch haben. Wenn euer Projekt vorübergehend nicht dazu in der Lage ist einen gekündigten Kredit zurückzuzahlen, darf die Rückzahlung aufgeschoben werden. Im Fall einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) werden erst etwaige andere Kreditgeber*innen (z.B. Banken) bedient und erst ganz am Ende die Nachrangdarlehen. Um auszuschließen, dass dieser Fall eintritt, werden die Finanzierungspläne aller Projekte auch vom habiTAT genau geprüft.

Nachrangdarlehen sind in der normalen Wirtschaftswelt oft Hochrisikoanlagenmöglichkeiten mit Profitversprechen von bis zu 10%. Für potentielle Geldgeber*innen wirkt die Nachrangklausel deshalb manchmal abschreckend. Im Fall von Hausprojekten sind diese Kredite jedoch dazu da, Projekte zu finanzieren denen ein realer Wert in Form einer Immobilie gegenübersteht und somit die Rückzahlung der Kredite durch eure Mieten und euren soliden Finanzierungsplan sichergestellt ist.

Auch abseits der Kreditfähigkeit haben Direktkredite für alle Beteiligten viele Vorteile. Durch das Ausschalten der Bank und deren Gewinnabschöpfung sind Direktkredite für euer Projekt billiger als Bankkredite. Umgekehrt bekommen eure Direktkreditgeber*innen höhere Zinsen als bei vielen kommerziellen Anlageformen und wissen dabei jederzeit was mit ihrem Geld passiert. Deshalb ist es sinnvoll, einen möglichst großen Anteil der Projektkosten durch Direktkredite abzudecken. Die Erfahrungen des Mietshäusersyndikats zeigen, dass mit jedem Projekt neue Kreise von Direktkreditgeber*innen erschlossen werden. Das Netzwerk des habiTAT wächst ebenfalls mit jedem neuen Projekt, so entsteht auch in Österreich ein solidarisches Netzwerk. Je mehr Altprojekte bereits finanziellen Spielraum besitzen, desto mehr Direktkredite können außerdem an neue Projekte weitervermittelt werden. Auch die offiziellen Zahlen sprechen dafür, dass noch viele Häuser mit dieser Finanzierungsform freigekauft werden können. In der Infobox findet ihr die aktuell verfügbaren Finanzvermögen der österreichischen Haushalte. Wenn es nur danach ginge, könnten alle Menschen in Österreich in Syndikats-Projekten wohnen. Wie ihr möglichst viel von diesem Geld für euer Projekt auftreibt, könnt ihr im Kapitel Öffentlichkeitsarbeit nachlesen.

Der Spruch des Mietshäusersyndikats „Lieber 1000 Freund*innen im Rücken als eine Bank im Nacken“ bedeutet auch, dass ihr euch das Geld von möglichst vielen Menschen leihen sollt. Macht euch nicht anhängig von einzelnen großen Kreditgeber*innen, sondern versucht euch kleinere Beträge von möglichst vielen Personen zu leihen. Im Syndikatsverbund ist es deshalb auch üblich, Kreditgeber*innen, die sehr große Beträge anbieten, zu fragen ob sie den Betrag nicht auf verschiedene Projekte aufteilen wollen.

In der Geschichte des Mietshäusersyndikats hat es erst einmal den Fall des Scheiterns eines Projektes gegeben. Leider auch mit der Folge, dass die Direktkreditgeber*innen einen großen Teil ihres Geldes verloren haben. Im Detailkapitel findet ihr die Hintergründe zu diesem Projekt und wie seither versucht wird, dass sich das nicht wiederholt.

Die Konditionen für Direktkredite an euer Projekt könnt ihr gänzlich selbst bestimmen. Die Stellschrauben sind dabei die Zinsen, die Laufzeit bzw. die Kündigungsfrist und die Kredithöhe.

Der Zinssatz sollte natürlich einen gewissen Anreiz bieten, damit ihr Menschen überzeugen könnt euch Geld zu leihen. Dabei sind die Zinsen jedoch für die Einen viel wichtiger als für die Anderen. Viele eurer Geldgeber*innen werden gar keine oder nur sehr niedrige Zinsen haben wollen, weil sie einfach euer Projekt unterstützen möchten. Andere werden für ihr Darlehen mehr Zinsen haben wollen. Deshalb bietet es sich an einen Rahmen festzulegen und die Direktkreditgeber*innen selbst entscheiden zu lassen. Im Willy*Fred haben wir zwischen 0% und 2% angeboten und sind im Durchschnitt sogar etwas unter 1% gelandet.

Bei der Laufzeit bzw. der Kündigungsfrist müsst ihr euch zwischen Planungssicherheit und wiederum Attraktivität entscheiden. Eine Möglichkeit ist es, gar keine fixen Laufzeiten zu vereinbaren, sondern einfach nur eine Kündigungsfrist von mehreren Monaten, um eurem Projekt auch die Möglichkeit zu geben einen Ersatzkredit zu beschaffen. Falls ihr euch entscheidet keine fixe Laufzeit zu vereinbaren, könnt ihr die Kreditgeber*innen trotzdem nach einer unverbindlichen Angabe fragen. Damit bekommt ihr zumindest eine ungefähre Information darüber, wann Kredite gekündigt werden könnten. Im Willy*Fred hat sich bewährt, für kleinere Beträge bis 5.000€ drei Monate und für größere Beträge sechs Monate Kündigungsfrist zu vereinbaren. Bisher konnten wir jedoch fast alle Rückzahlungen aufgrund unserer Rücklagen innerhalb von wenigen Tagen durchführen.

Bleibt nur noch die Frage nach der Kredithöhe. Da zu kleine Beträge einen zu großen Verwaltungsaufwand bedeuten würden und zu große Beträge ein Abhängigkeitsverhältnis erzeugen, solltet ihr den möglichen Betrag eingrenzen. Wir haben beispielsweise 500€ als Untergrenze und 50.000€ als Obergrenze festgelegt. Der Durchschnitt landete schließlich bei ungefähr 5.000€.

Habt ihr eure Konditionen festgelegt, könnt ihr eure Kreditverträge fertigmachen. Achtet dabei unbedingt auf die Bestimmungen des Alternativfinanzierungsgesetzes (AltFG). In diesem Detailkapitel findet ihr Erklärungen zu den gesetzlichen Auflagen, die ihr einhalten müsst, um legal Direktkredite annehmen zu können. Auch hier gilt, kein Respekt vor Gesetzestexten, schlagt im Zweifel einfach selbst im AltFG nach.

Wenn ihr das Projekt ohne Bank stemmen könnt, dann habt ihr das Privileg diesen Teil des Selbstbaukits auszulassen. Ansonsten muss das jetzt leider sein. Einen Bankkredit für euer Projekt zu bekommen ist allerdings gar nicht so schwer wie man meinen könnte. Immobilienprojekte sind für Banken sehr gut kalkulierbar, weswegen sie sich auch gerne darauf einlassen. Als Sicherheit für den Kredit fungiert ja euer Haus, das sie – auch wenn das nie passieren wird – im Ernstfall verkaufen könnten.

Mit einem Kredit tragt ihr zum Gewinn einer Bank bei, deshalb solltet ihr euch Gedanken darüber machen welcher Bank ihr eure Zinsen zahlt. Banken können nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt werden, entweder nach Größe (Regional- oder Großbanken), nach Rechtsform (Aktiengesellschaft, Genossenschaft, staatliche oder kommunale Banken) oder nach Geschäftsart (Sparkassen, Hypothekarbanken, Geschäftsbanken oder Ethikbanken).

Informiert euch deshalb gut über die verschiedenen, infrage kommenden Banken und erkundigt euch vor allem wo diese wiederum ihr Geld anlegen. Wir haben gute Erfahrungen mit der GLS Bank – einer Ethikbank – gemacht. Ethikbanken verzichten in ihrem Geschäftsmodell auf menschenrechtswidrige Investments und Spekulationsgeschäfte, erlauben es den Sparanleger*innen selbst zu entscheiden wie ihr Geld verwendet werden soll und unterstützen ökologische oder manchmal auch soziale Projekte mit günstigeren Krediten. Außerdem könnt ihr mit diesen Banken auf Augenhöhe reden, weil sie es gewohnt sind mit Projekten abseits der Norm zusammenzuarbeiten.

In Österreich gibt es noch keine Ethikbank. Mit der Gemeinwohlbank befindet sich zwar gerade eine solche in Gründung, dieser Prozess wird jedoch noch eine Weile dauern. In Deutschland und der Schweiz gibt es aber bereits einige Ethik- oder Ökobanken. Vor allem die GLS Bank in Deutschland hat schon sehr viel Erfahrung mit dem Mietshäusersyndikat gesammelt und auch die bisherigen Projekte im habiTAT haben Kredite bei der GLS Bank. Bei Ethikbanken solltet ihr jedoch ebenfalls auf eine kritische Auseinandersetzung nicht verzichten (siehe Infobox).

GLS Bank: Die genossenschaftlich organisierte GLS Bank mit Sitz in Bochum besteht bereits seit über 40 Jahren und hat sehr viel Erfahrung mit Projekten nach dem Syndikatsmodell. Sie finanziert viele Projekte in den Bereichen freie Schulen, erneuerbare Energien und nachhaltiges Bauen und Leben. Seit wenigen Jahren hat sie damit begonnen auch Projekte in Österreich zu finanzieren. Die Bank wurde im sehr fragwürdigen Umfeld der Antrophosophie nach Rudolf Steiner gegründet. Sie hat sich seither zwar darüber hinaus entwickelt, vergibt aber trotzdem immer noch Kredite an Projekte aus dieser Szene.

Auch wenn ihr euch bereits im Vorfeld auf eine Bank festgelegt habt, solltet ihr trotzdem Vergleichsangebote einholen. Gerade zwischen Banken aus Deutschland und Österreich können Zinssatz und Laufzeit schon ein Stück auseinanderliegen, was vielleicht darüber entscheidet ob euer Projekt machbar ist oder nicht. Außerdem gibt es bei Krediten aus dem Ausland oft zusätzliche Gebühren, die bei hiesigen Banken wegfallen. Mehr über die Gebühren und andere Zusatzkosten erfahrt im Detailkapitel.

Details: Gebühren und Gutachten

In diesem Detailkapitel erhaltet ihr wichtige Tipps zu den beim Hauskauf und im Umgang mit Banken anfallenden Gebühren und Gutachten sowie Informationen darüber, welche davon unbedingt notwendig sind und welche eventuell auch vermieden werden können.

Bevor ihr zur Bank geht solltet ihr Unterlagen vorbereiten. Als Kernstück dieser Unterlagen dient bereits euer Finanzierungsplan. Mit diesem könnt ihr belegen, dass ihr euch fundierte Gedanken zu eurem „Geschäftsmodell“ gemacht habt. Daneben benötigt ihr noch Unterlagen zum Haus. Das können etwaige Pläne sein oder noch besser euer bereits ausgearbeitetes Nutzungskonzept. Falls ihr schon einen Grundbuchauszug oder ein Gutachten besitzt, solltet ihr auch diese Dokumente mitnehmen. Je besser ihr vorbereitet seid, desto eher kann euch die Bank auch sagen, ob das Projekt kreditfähig ist und welche Konditionen ihr bekommt.

Habt ihr alles beisammen, ruft einfach an und vereinbart einen Termin. Bei Banken im Ausland wird es oft nicht möglich sein, einen persönlichen Termin zu vereinbaren und ihr könnt euer Anliegen gleich am Telefon vortragen. Macht euch bewusst, dass ihr nicht die Bittsteller*innen seid, sondern potentielle Kund*innen der Bank. Das heißt die Bank will eigentlich etwas von euch. Wenn ihr die Dokumente gut aufbereitet habt, seid ihr außerdem schon besser vorbereitet als viele andere Geschäftskunden.

Details: Nerdrap - Zinsen, Tilgung und Eigenkapitalquote

Damit es euch ein wenig leichter fällt euch im Banken- und Finanzierungsdschungel zurechtzufinden, haben wir in diesem Detailkapitel die wichtigsten Begriffe kurz erklärt.

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  • Zuletzt geändert: 2017/05/29 12:04
  • von Florian Humer