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Wie alles begann

Das habiTAT bemüht sich als Dachverband darum, Häuser dem Immobilienmarkt dauerhaft zu entziehen und in die selbstverwaltete Hand seiner Mieter*innen zu überführen. Doch wie soll das funktionieren, wenn nicht durch die Besetzung von Häusern? Dazu hat der Verbund die Struktur des deutschen Mietshäusersyndikats auf den österreichischen Rechtsraum übertragen. Tatsächlich ist das Syndikat in Deutschland unter dem Druck steigender Repression und Zwangsräumungen in der Hausbesetzer*innenszene Anfang der 1980er in Freiburg geboren worden. Unter dem Motto: „Die Häuser denen die drin wohnen!“, wurde nach einer Realisierungsmöglichkeit gesucht, um die Häuser konstant aus dem Immobilienmarkt zu befreien, sie bewohnen und beleben zu können. Dazu wurde in jahrelanger Arbeit ein gefinkeltes Modell entwickelt, woraufhin die ersten Mietshäuser in Selbstverwaltung entstehen konnten.

Seither haben viele autonome Hausprojekte ihre Realisierung gefunden und das Mietshäusersyndikat lebt das selbstverwaltete und solidarische Bewohnen und Nutzen von Häusern mittlerweile seit bald 25 Jahren vor. Im syndikalistischen Dachverband organisieren sich bereits über 120 Hausprojekte mit insgesamt über 3.000 Bewohner*innen, die auch weiterhin neue Projekte dabei unterstützten sich Häuser kollektiv anzueignen. Dabei findet sich eine große Vielfalt von unterschiedlichen selbstverwalteten Projekten, im städtischen wie im ländlichen Raum und über ganz Deutschland verteilt. Die Bewohner*innen- und Nutzer*innenzahl variiert in den einzelnen Häusern zwischen drei bis dreihundert. Nicht selten bereichern die Hausprojekte ihre Region mit niederschwellig zugänglichen Sozial- und Kulturräumen und zeigen Möglichkeiten auf, die durch eine kollektive Eroberung von (Frei-)Räumen entstehen.

Auch in Österreich konnten in den letzten Jahrzehnten durch Hausbesetzungen leider nur sehr selten, gegen große Widerstände und unter Repressionen Freiräume dauerhaft erobert werden. Trotzdem besteht auch hier der Wunsch nach einer solidarischen und selbstverwalteten Zukunft. Spekulant*innen – und nicht selten auch Politiker*innen – üben großen Einfluss auf unsere Wohn- und Lebensmöglichkeiten aus. Der hart umkämpfte Immobilienmarkt macht leistbares Wohnen zunehmend schwieriger und bedroht durch kontinuierlich steigende Mieten immer öfter bereits existierende soziokulturelle Räume. Doch im Bestreben einer kollektiven Raumaneignung spielt nicht nur die Leistbarkeit und der gerechte Zugang zu einem Dach über dem Kopf eine Rolle. Viele aktuelle Strömungen und Modelle – von Baugemeinschaften über Cohousing Gruppen bis hin zu Ökodörfern – spiegeln den Wunsch nach einer Reaktivierung kollektiver Lebensformen wieder. Die Utopie selbstorganisierter und solidarisch verbundener Mietshausprojekte scheint auch hierzulande noch nicht ausgeträumt. Darum hat sich das habiTAT daran gemacht das Rechts- und Finanzierungsmodell des Mietshäusersyndikats auf den österreichischen Rechtsraum zu übertragen, um auch hier die Möglichkeit zu schaffen Häuser nachhaltig seinen Eigentümer*innen zu entziehen und kollektiv zu verwalten.

Unser Hausprojekt Willy*Fred soll nur das Erste von vielen weiteren solidarisch verbundenen Mietshäusern in Österreich sein. Mittlerweile scharren bereits sechs weitere habiTAT-Projektinitiativen in einigen Hauptstädten der Bundesländer in den Startlöchern. Und schon jetzt lässt sich die Entstehung eines Mehrwerts durch den gemeinsam eroberten Gestaltungsfreiraum beobachten und bisher ungeahnte Möglichkeiten frei werden. Am Leben rund ums Willy*Fred lässt sich erkennen, wie unser junges Hausprojekt über seine Mauern hinauswirkt und schon jetzt aus Linz nicht mehr wegzudenken ist.

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  • Zuletzt geändert: 2017/05/29 11:43
  • von Florian Humer