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Rücke vor zur Schlossallee – Die Immobiliensuche

Die Immobiliensuche ist der aufregendste Teil eines Hausprojekts. Ihr werdet merken wie ihr schon bald mit ganz anderen Augen durch eure Stadt oder euren Ort geht. Fehlende Klingelschilder oder Vorhänge und „zu verkaufen“ Schilder stechen plötzlich ins Auge und jedes Dach wird auf das Potential für eine Dachterrasse hin geprüft. Natürlich suchen fast alle Gruppen erst mal den Ponyhof mit Einhorn. Ein zentral gelegenes Haus oder eine romantische Fabrikhalle, mit guter Verkehrsanbindung, viel Grün, in gutem Zustand und für wenig Geld. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen sind Immobilien jedoch als Anlageform und Spekulationsobjekte sehr interessant. Großinvestor*innen ziehen marodierend durch die Immobilienwelt und kaufen alles, was nicht bei drei ein Hausprojekt geworden ist. Sowohl beim in Punkto Zeit als auch finanziell ist es hier nicht ganz leicht dagegen zu halten. Ihre werdet für den Kauf des Hauses einfach länger brauchen, als Spekulant*innen. Lasst euch davon nicht entmutigen! Stellt euch aber darauf ein, dass die Suche nach dem richtigen Haus schon auch Jahre dauern kann und freut euch dann umso mehr, wenn es schneller geht.

Der zentrale Vorteil im Wettbewerb mit Investor*innen ist eure Kreativität und euer soziales Engagement. Investor*innen suchen nach gut verwertbaren Objekten, Hausprojektaktivist*innen nach gut bewohnbaren Häusern. Genau das gilt es schamlos auszunutzen, zum Beispiel:

Ein Haus hat maximales Verwertungspotential, wenn es leer steht. Dann kann es entweder abgerissen und durch formatierte Wohnziegel ersetzt werden oder es wird kernsaniert, um dann für teures Geld als Eigentumswohnungen weiterverkauft zu werden. Nicht selten gibt es allerdings Mieter*innen, die ihre unbefristeten Mietverträge nicht aufgeben wollen oder sich einfach nur weigern umzuziehen. Solche Altmieter*innen werden deshalb entweder für bis zu sechsstellige Beträge aus ihren Verträgen hinausgekauft oder leider auch oft durch laute Baumaßnahmen oder noch üblere Methoden aus dem Haus geekelt. In jedem Fall verringern Altmieter*innen den Marktwert eines Hauses und machen es für Investor*innen weniger interessant. In gemeinschaftlichen Hausprojekten sind Bestandsmieter*innen aber kein Problem und können einfach ins Projekt integriert werden. Eines der wichtigsten Ziele im habiTAT ist es, bestehende Bewohner*innen nicht zu vertreiben und ihren Wohnraum langfristig abzusichern.

Investor*innen suchen nach den Standardmaßen. Am besten verkaufen sich Zwei- bis Dreizimmerwohnungen für die handelsübliche Kernfamilie. Viele Gebäude, gerade die älteren Datums, sind jedoch gar nicht darauf ausgelegt. Während das für die Investor*innen teure Umbaumaßnahmen bedeutet, kann es für ein Hausprojekt aber gerade die Wunschvorstellung sein. Viele eigenständige Zimmer und große Gemeinschaftsflächen - wie beispielsweise in ehemaligen Heimen – oder ehemalige Gewerbegebäude können für euch eine Nische sein, die den entscheidenden Vorteil birgt.

Es gibt Hausbesitzer*innen die aus unterschiedlichen Gründen nicht unbedingt an anonyme Investor*innen verkaufen wollen. Beispielsweise können die Besitzer*innen selbst in dem Haus aufgewachsen sein und wollen deshalb nicht, dass es einfach weggerissen wird oder sie wollen nicht, dass die ihnen ans Herz gewachsenen Altmieter*innen gehen müssen. Vielleicht erkennen sie auch aus sozialer Verantwortung oder politischen Überlegungen heraus, dass ein Hausprojekt einfach besser ist. In eher seltenen Fällen wird das viel am Kaufpreis ändern, aber vielleicht bekommt ihr so zumindest die nötige Zeit, um das Projekt zu entwickeln und die finanziellen Mittel aufzutreiben. Und natürlich sind die Verkaufsgespräche ungemein angenehmer.

Wie aber jetzt den*die Hausbesitzer*in mit sozialer Verantwortung und zu verkaufendem, zentralem Haus mit großem Garten finden? Auch hier darf außerhalb ausgetretener Pfade gewandert werden. Ein paar Anregungen:

Sehr naheliegend ist erst mal der Weg über die Immobiliensuchplattformen im Internet. Um Zeit zu sparen könnt ihr dort einfach Suchagenten konfigurieren, die euch bei auf den Markt kommenden passenden Immobilien sofort informieren. Gerade zu Beginn helfen auch nicht so interessante Angebote dabei, ein Gefühl für die Preise der Häuser zu bekommen. Und lieber ein Haus zu viel besichtigen als eins zu wenig, denn jede Besichtigung bringt euch neue Erkenntnisse.

Aktiviert eure sozialen Netzwerke! Gibt es da Architekt*innen, Hausbesitzer*innen oder Immobilienspezialist*innen? Fragt bei Vereinsräumen, Kunsträumen, Ateliers oder anderen zwischenvermieteten Räumen, ob der*die Besitzer*in vielleicht irgendwo Häuser besitzt. Denn wer Räume an soziokulturelle Projekte vermietet hat oft auch ein offeneres Ohr für euer Hausprojekt. Wenn ihr wiederum auf gut vernetzte Personen trefft, die euch persönlich nicht weiterhelfen können, fragt sie nach ihren Kontakten.

Gerade in größeren Städten geht jede*r von uns oft an leeren oder zumindest scheinbar leeren Gebäuden vorbei. Schreibt euch die Adressen auf und schaut am Magistrat oder der Gemeinde im Grundbuch nach, wem das Haus gehört. Die Einsicht ins Grundbuch ist gratis, nur ein Grundbuchauszug kostet Geld.

Der Immobilienmarkt hat seine eigenen Gesetze, nicht alle davon sind auf den ersten Blick nachvollziehbar und viele davon bergen auch Risiken für die Zukunft eurer Projekte. Ohne dabei aber gleich in apokalyptische Fantasien abzutauchen, werden in diesem Detailkapitel ein paar dieser Dynamiken erklärt.

Wie ihr am besten auf den*die Verkäufer*in oder den*die Makler*in zugeht hängt natürlich stark vom jeweiligen Gegenüber ab. Wie überall im Hausprojekt ist es aber vor allem wichtig, dass ihr das Gefühl vermittelt, dass ihr wisst was ihr tut. Egal ob der*die Verkäufer*in euch wohlgesonnen ist oder einfach nur das Geld haben will, ihr müsst sie*ihn überzeugen, dass ihr es schaffen werdet die nötige Kaufsumme bereitzustellen.

Bereitet euch eine Liste mit Fragen vor, die ihr bei Besichtigungen oder beim Erstgespräch stellen wollt und nehmt euch einen Notizblock oder einen Laptop mit, um die Eckpunkte des Gesprächs festzuhalten. Das wirkt professionell und nutzt euch selbst in der Nachbereitung. Nehmt euch außerdem Werbematerial der bestehenden Projekte und natürlich die Broschüre des Mietshäusersyndikats mit. Damit könnt ihr belegen, dass es bereits viele erfolgreiche Beispiele für euer Modell gibt.

Achtet vor allem beim Erstgespräch darauf, euch noch nicht festnageln zu lassen und unterschreibt auf keinen Fall Dokumente aus denen euch Pflichten entstehen. Bei Kaufangeboten solltet ihr genau darauf achten, dass ihr – falls die Finanzierung doch nicht klappt – keine Vertragsstrafe zahlen müsst, also einen sogenannten Finanzierungsvorbehalt mit einbaut. Dazu findet ihr im Detailkapitel noch mehr Informationen.

Lasst euch außerdem nicht zu sehr unter Zeitdruck setzen. Ihr werdet oft hören, dass das Haus ganz schnell verkauft werden muss und es bereits Investor*innen gibt, die in den Startlöchern stehen. Wenn dem wirklich so ist, wird es so oder so schwierig mitzuhalten. Euer Projekt braucht einfach seine Zeit und entweder die andere Seite spielt mit oder halt eben nicht. Das nächste Schloss kommt bestimmt.

Hier findet ihr genauere Informationen zur Gestaltung von Kaufverträgen, Kaufangeboten und Kaufoptionsverträgen.

Wenn ihr euer Haus gefunden habt und sich abzeichnet, dass ihr euch mit dem*der Verkäufer*in einig werdet, solltet ihr auch mit der GmbH Gründung beginnen. Der Gründungsprozess dauert eine Weile und ihr benötigt die GmbH bereits, um die ersten Direktkredite annehmen zu können.

Mit der Gründung der GmbH ist auch der sogenannte Beteiligungsbeschluss verbunden. Für jedes neue Projekt wird von den Mitgliedern des habiTAT entschieden, ob sich der Dachverband an der GmbH des Projekts beteiligen kann. Das passiert auf der Generalversammlung und es werden dabei Finanzierungsplan und Projektkonzept daraufhin geprüft, ob diese auch wirtschaftlich nachhaltig gerechnet wurden und ob die angepeilten Mieten wirklich bezahlbar sind. Wie genau dieser Beteiligungsbeschluss zustande kommt erfahrt ihr von euren Berater*innen.

Mit dem Beteiligungsbeschluss in der Tasche könnt ihr euch nach einem*einer – finanziell möglichst solidarischen – Notar*in umsehen und dort den Gesellschaftsvertrag unterschreiben. Ähnlich wie beim Hausverein benötigt ihr auch für die GmbH zeichnungsberechtigte Personen, in diesem Fall die Geschäftsführer*innen. Im Willy*Fred sind das zwei Personen, die nach dem Vieraugenprinzip die GmbH vertreten. Die Geschäftsführer*innen haben allerdings weitreichendere Pflichten als der Vorstand des Hausvereins. Mehr dazu findet ihr im Detailkapitel.

Außerdem benötigt ihr zur Gründung der GmbH die nötige Stammeinlage. Für den Anteil des Hausvereins sind das 2.450€. Dieses Geld ist allerdings nicht weg, sondern kann danach für den Kauf des Hauses verwendet werden.

Details zum bürokratischen Ablauf der GmbH-Gründung, dem Gesellschaftsvertrag und den rechtlichen Pflichten der Geschäftsführung findet ihr in diesem Detailkapitel.

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  • Zuletzt geändert: 2017/05/29 11:57
  • von Florian Humer