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Das Modell

Doch wie genau gelingt es, dass die Mieter*innen eines Hauses über alle Belange des täglichen Zusammenlebens, -wohnens und -arbeitens eigenständig bestimmen können? Und das auch noch ganz ohne Eigentum und Kapital der Aktivist*innen selbst? Dass ein solches Hausprojekt realisiert und belebt werden kann, liegt an der besonderen Modellierung der habiTAT-Struktur. Der wesentliche Gedanke des Syndikatmodells ist es dabei, Eigentum seinen Eigentümer*innen zu entziehen und zu vergemeinschaften, um über den eigenen Wohn-, Lebens- und Arbeitsraum (mit-)bestimmen zu können. Ein Haus soll also von jenen selbstverwaltet werden, die es nutzen und bewohnen. Dabei wird nicht nur die Handlungs- und Wirkungsmacht über die eigene Lebensumgebung zurückerobert, sondern in weiterer Folge entsteht auch leistbarer Wohnraum, welcher soziale Ungleichheiten besser ausbalancieren kann.

Um diese Ideen rechtlich in einen nachhaltigen Rahmen zu gießen, wird der Eigentumstitel eines Hauses an eine juristische Person übertragen – eine GmbH. Gesellschafter*innen der Hausbesitz-GmbH sind dabei zu 49% das habiTAT und zu 51% der Hausverein. Der Hausverein bildet sich aus den Mieter*innen und Nutzer*innen und stellt die Geschäftsführung. Durch die Mehrheit der Anteile haben die Bewohner*innen damit absolute Autonomie über die Verwaltung und Gestaltung des Hauses. Die Rechte des habiTAT beschränken sich rein auf die Punkte Veräußerung und Gewinnausschüttung und sorgen dafür, dass der Wiederverkauf des Hauses ausgeschlossen wird und dass von den Mieteinnahmen niemand persönlichen Profit schöpfen kann. Aus privatem Kapital entsteht somit ein Nutzungseigentum, welches auf den Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität der Mieter*innen ausgerichtet ist. Die Bewohner*innen des Hausprojekts werden gleichzeitig zu Mieter*innen und ihre eigenen Vermieter*innen. Es wird kein privater Besitz erworben, sondern weiterhin Miete bezahlt. Gleichzeitig kann über den eigenen Wohnraum selbst bestimmt und dieser frei gestaltet werden.

Das habiTAT, als Dachverband vieler Projekte und Initiativen, hat neben dem Vetorecht gegen eine Veräußerung der Immobilien noch eine weitere zentrale Aufgabe. Es dient als Solidarnetzwerk, welches innerhalb vieler bestehender Hausprojekte, vor allem aber für neue Projekte, den Transfer von Knowhow und finanziellen Mitteln sicherstellt. Eine wichtige Basis dieses Austausches ist der Solidarbeitrag, der in die Mieten bestehender Projekte eingerechnet ist. Dieser beginnt mit einem symbolischen Beitrag und steigt entsprechend der, durch die Abzahlung der Kredite, wachsenden finanziellen Spielräumen über die Jahre hinweg an. Der Soli fließt in den Syndikatsdachverband um neue Projekte mit einer Anschubfinanzierung zu unterstützen und die kapitalmäßige Beteiligung des habiTAT an den einzelnen Hausbesitz-GmbHs zu ermöglichen. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Hausprojekte keine Inseln abseits der Gesellschaft bleiben, sondern noch viele Häuser vom Markt befreit oder auch neue Gebäude gebaut werden können.

Eine weitere Besonderheit des Modells liegt im solidarischen Finanzierungskonzept, das den Hauskauf überhaupt erst ermöglicht. Denn die Hausbesitz-GmbH benötigt – selbst um für eine Bank kreditfähig zu werden – ein gewisses Eigenkapital, welches hier mittels Direktkrediten aufgebaut wird. Direktkredite sind Darlehen von privaten Personen, die ihr Geld – statt bei einer Bank – in einem Projekt ihres Vertrauens einlegen. Ein Crowdinvesting also, bei dem viele kleine Beträge gesammelt werden, um den Eigenkapitalanteil für den Hauskauf aufzubringen. Über die Mieten der Bewohner*innen werden die Kredite allmählich zurückbezahlt und die Häuser gehören sich mehr und mehr selbst. Zwar bringt das Beschaffen des Eigenkapitalanteils mit vielen kleinen Privatkrediten einen gewissen Verwaltungsaufwand für die Hausprojektgruppe mit sich, aber durch den Wegfall von verpflichtenden Einlagen der Bewohner*innen kann so ein autonomes und selbstbestimmtes Leben für alle Mieter*innen – unabhängig von deren Vermögensverhältnissen - sichergestellt werden. Auch für Geldgeber*innen stellen Direktkredite eine interessante Form der sozialen Investition dar. Sie bekommen genau wie anderswo durch die Zinsen eine kleine Entschädigung und unterstützen dabei die weitreichende Unabhängigkeit der Projekte von kapitalistischer Ellbogenmentalität und/oder politischem Goodwill. Genaueres zur Finanzierung findet ihr im dafür extra verfassten Kapitel weiterhinten im Leitfaden.

  • selbstbaukit/modell.txt
  • Zuletzt geändert: 2017/05/29 11:46
  • von Florian Humer