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Öffentlichkeitsarbeit

Um die nötigen Direktkredite für den Freikauf eures Hauses zu sammeln, müsst ihr lautstark auf euch aufmerksam machen. Auch wenn Crowdfunding in Österreich in den letzten Jahren immer populärer wird, haben viele Menschen noch immer Berührungsängste, die es mit guten und ehrlichen Argumenten und viel Überzeugungsarbeit abzubauen gilt. Ihr macht das nicht nur für euer Haus! Jede Projektkampagne leistet auch gleichzeitig für die nachfolgenden Projekte Aufklärungs- und Kulturarbeit und macht auf die Probleme privatem Wohneigentum aufmerksam.

Es ist ein schmaler Grat zwischen guter Öffentlichkeitsarbeit und reißerischem Marketing. Seid deshalb während eurer Kampagne so offen und transparent wie möglich, verschweigt die Risiken nicht und zwingt Menschen nichts auf. Die Beziehung zwischen euch als Projekt und euren Direktkreditgeber*innen soll auf Augenhöhe stattfinden, immerhin wird diese in den meisten Fällen viele Jahre andauern.

Um im einundzwanzigsten Jahrhundert überhaupt als existent zu gelten, braucht ihr zu Beginn erstmal eine aussagekräftige Internetpräsenz, also eine Webseite und eine E-Mailadresse. Eine Homepage zu basteln ist mittlerweile sehr einfach geworden. Falls ihr keine*n Expert*in zur Hand habt und kein Geld ausgeben wollt, könnt ihr euch die dafür benötigten Kenntnisse auch selbst aneignen. Holt euch für das Layout und den Inhalt Anregungen von anderen Projekten, auch von unserer Webseite darf natürlich sehr gerne geklaut werden.

Danach heißt es Kommunikationskanäle erschließen. Am einfachsten und immer noch sehr effektiv sind E-Mailverteilerlisten. Die könnt ihr bei euren Veranstaltungen auflegen und so bekommt ihr nach und nach eine wachsende Leser*innenschaft für die Neuigkeiten und Fortschritte aus eurem Projekt. Fragt auch bei bestehenden politischen oder kulturellen Initiativen nach, ob ihr eure Newsletter über ihre Verteiler aussenden dürft. Ob ihr für eure Kampagne auch soziale Medien benutzen wollt, müsst ihr natürlich selbst entscheiden. Aber auch wenn ihr privat aus guten Gründen nicht bei Facebook und Co seid, solltet ihr euch überlegen ob ihr auf die damit erzielbare Reichweite verzichten wollt.

Die Öffentlichkeitsarbeit geht natürlich erst so richtig los, wenn ihr euer Haus gefunden habt und damit beginnt, das Geld für den Freikauf zu sammeln. Ihr solltet aber auch davor schon versuchen ins Gerede zu kommen. Ihr könnt zum Beispiel politische Vorträge oder Diskussionsveranstaltungen rund ums Thema Wohnen organisieren oder euch kreative andere Zugänge wie Barcamps oder ein Forumtheater überlegen. Vielleicht macht ihr auch schon eine Spendenkampagne, um das nötige Kleingeld für die bereits während der Vorbereitung anfallenden Kosten aufstellen zu können. Wenn die heiße Phase schließlich losgeht, habt ihr so bereits einen Grundstein gelegt und Viele haben zumindest euren Namen schon mal gehört.

Für euer Projekt benötigt ihr auch einiges an gedruckter Informationen zum Angreifen. Das Herzstück davon ist die Projektbroschüre, mit der ihr euch selbst, das dahinterstehende Modell und das freizukaufende Haus auf wenigen Seiten verständlich und überzeugend präsentieren müsst. Keine einfache Aufgabe, aber ihr braucht auch hier das Rad nicht neu erfinden. Nehmt euch ruhig Anleihen aus den Broschüren bestehender Projekte. Ein besonders wichtiger - wenn nicht der wichtigste - Teil der Broschüre ist die Vorstellung eures Kollektivs. Unserer Erfahrung nach ist die erste aufgeschlagene Seite meist die mit unseren Fotos, schließlich wollen die Menschen wissen wem sie da Geld anvertrauen. Natürlich müsst ihr aber selbst entscheiden, wie weit ihr euch für das Projekt auch in der Öffentlichkeit exponieren wollt.

Neben einer aussagekräftigen Broschüre sollten auch die nach dem Alternativfinanzierungsgesetz vorgeschriebenen Informationen optisch und inhaltlich gut aufbereitet sein. Ihr könnt dazu beispielsweise extra dafür gestaltete Direktkredit-Infomappen anfertigen. Nehmt den potentiellen Geldgeber*innen so viel Arbeit wie möglich ab und macht alle Abläufe bis hin zum Direktkredit durch einfache Anleitungen so transparent wie möglich.

Ergänzend zur Broschüre und zum Infopaket könnt ihr eurer Kreativität natürlich freien Lauf lassen. Besonders gut funktionieren beispielsweise Sticker oder ihr sucht euch eine Siebdruckwerkstatt und druckt eigene T-Shirts oder Stofftaschen.

Medienarbeit und Vortragsveranstaltungen können für euer Projekt wichtige Multiplikatoren sein. Sie dienen euch dazu als glaubwürdig wahrgenommen zu werden…Schließlich wurde ja in der Zeitung über euch berichtet.

Wenn ihr noch nicht so bekannt seid, wird es anfangs wohl keine Einladungen zu Podiumsdiskussionen oder Vorträgen geben. Deshalb müsst ihr da selbst aktiv werden. Schreibt beispielsweise Kulturstätten in eurer Umgebung an, ob ihr dort mal eine Veranstaltung machen dürft. Oder fragt bei bestehenden Projekten – auch in Deutschland - an, ob diese mit euch gemeinsam etwas organisieren wollen. Gerade etablierte Projekte können schon auf ihr jahrelanges Knowhow und ihre existierenden Netzwerke zurückgreifen.

Auch im Umgang mit Medien müsst ihr selbst aktiv werden. Um die richtigen Kontakte zu bekommen könnt ihr bei bestehenden Institutionen anfragen, beispielsweise bei den Landesorganisationen der IG Kultur. Diese haben meist bereits Listen von E-Mailadressen lokaler Medien, an die ihr eure Aussendungen schicken könnt. Hängt dabei auch immer Einladungen zu euren Veranstaltungen an oder ladet sogar zu einer Pressekonferenz ein, auf der Journalist*innen Fragen stellen können. Nutzt das Netzwerk der freien Medien in eurer Umgebung, dort könnt ihr im Rahmen der Gestaltung von eigenen Beiträgen selbst darüber entscheiden, was über euch publiziert wird.

Natürlich steht nicht jede*r gerne im Rampenlicht. Es besteht deshalb die Gefahr, dass immer die gleichen Personen der Gruppe am Podium sitzen oder im Radio zu hören sind. Da ihr aber ein Kollektiv seid, solltet ihr auch so wahrgenommen werden. Versucht deshalb euch eurem Lampenfieber zu stellen oder geht als Gruppe zu Interviews oder Vorträgen, dann können die anderen einspringen, falls ihr euch verzettelt. Außerdem hilft es, wenn ihr euch als Gruppe bereits zu Beginn einen Factsheet erstellt, auf dem alle wichtigen Daten zu eurem Projekt niedergeschrieben sind. Wie hoch wird die Miete sein? Wie viele Wohnungen hat das Haus? Dadurch ist das Risiko geringer, dass ihr euch gegenseitig widersprecht.

Es ist ein gutes Stück Weg von einem grundsätzlichen Interesse am Projekt zum abgeschlossenen Kreditvertrag. Das Lesen eines Zeitungsartikels reicht da meist nicht aus. Im Durchschnitt müssen sogar interessierte Menschen ungefähr siebenmal aus unterschiedlichen Richtung von euch hören, bis sie sich schließlich für einen Direktkredit entscheiden. Lasst euch deshalb nicht entmutigen, wenn es zu Beginn etwas dauert bis die ersten zählbaren Ergebnisse eintreffen.

Pressearbeit ist für Viele Neuland, auch wir hatten damit zu Beginn relativ wenig Erfahrung. Damit eure Presseaussendungen nicht im Blätterwald verhallen und ihr auf der Pressekonferenz nicht alleine herumsitzt, haben wir in diesem Detailkapitel noch ein paar Tipps zusammengetragen.

Der wichtigste Ort an dem ihr Menschen von eurem Projekt überzeugen könnt, ist das persönliche Gespräch. Jede noch so gut gemachte Broschüre oder ein lobhudelnder Fernsehbeitrag können es nicht ersetzen, Menschen direkt anzusprechen. Das können eure Freund*innen oder Verwandten sein oder eben Leute die ihr im Laufe der Kampagne kennenlernt.

Über Geld zu reden ist anfangs wahrscheinlich ungewohnt und es fühlt sich eventuell irgendwie schäbig an. Denkt aber daran, dass ihr auch hier eigentlich keine Bittsteller*innen seid. Auch wenn Direktkreditgeber*innen dem Projekt ein gutes Maß an Vertrauen entgegenbringen müssen, bekommen sie ja auch etwas für ihr Geld. Zum einen natürlich die Zinsen, aber wichtiger ist für die meisten Menschen das Wissen darüber, dass ihr Geld in guten Händen ist und für einen sinnvollen Zweck eingesetzt wird. Und schließlich seid es ihr die ehrenamtlich dafür sorgen, dass das Projekt entstehen kann. Das Geld dient nicht eurem persönlichen Profit. Ihr werdet das Haus nur beleben und erhalten und mit eurer Miete und eurem Knowhow sogar noch dabei helfen neue Häuser aus dem Immobilienmarkt zu befreien.

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  • Zuletzt geändert: 2017/05/29 12:06
  • von Florian Humer