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Unsere Herzen sind politisch

Aus der Geschichte und den Beweggründen von Mietshäusersyndikatund habiTAT, lässt sich herauslesen, dass sich hinter den Bemühungen um eine nachhaltige und rechtlich tragfähige Struktur für den kollektiven Häuserfreikauf auch eine politische Motivation verbirgt. Es sollen aktiv Wohn- und Lebensräume geschaffen werden, in denen statt Ellbogenmentalität und Abgrenzung, Solidarität und Selbstbestimmung möglich werden. Räume die nicht konsumiert, sondern belebt werden und in denen Ausbeutungsverhältnisse und Fremdbestimmung vor der Tür bleiben. Wir fordern den gleichberechtigten Zugang aller Menschen zu einem guten Leben, abseits der Machtverhältnisse von kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft. Diese politische Motivation die daraus abgeleiteten Forderungen und das Selbstverständnis des Verbunds sind der Syndikatsstruktur inhärent, die auf den Säulen Inklusion, Selbstverwaltung und Solidarität sowie auf der Idee des Nutzungseigentums aufbaut.

Eine Immobilie als übliches Werteigentum bietet Kapitaleigner*innen die Möglichkeit, persönlichen Profit aus Vermietungen, dem Hausverkauf und sogar dessen Verfall zu schlagen. Das Nutzungseigentum hingegen soll – dem Namen nach – den Mieter*innen das Recht übertragen, ein Mietshaus selbst zu verwalten und über den eigenen Wohn- und Lebensraum unabhängig zu bestimmen. Durch die Übertragung des Werteigentums an eine juristische Person und der Nutzungsrechte an die Hausgemeinschaft, wird das Werteigentum abgespalten und aufgelöst. Die Rechtsform des habiTAT soll sicherstellen, dass das Werteigentum nicht mehr aus dieser Struktur gelöst werden kann und damit dem Immobilienmarkt langfristig entzogen bleibt. Ziel ist es also, Immobilien und deren Nutzung und Pflege zu vergemeinschaften und gleichzeitig Spekulation und persönliche Bereicherung ausschließen. Dabei wird dem Markt zudem Kapital entzogen, neutralisiert und ist nachhaltig einem sozialen Zweck gewidmet.

Natürlich beinhalten die Nutzungsrechte auch mehr Verantwortung, als dies in regulären Mietverhältnissen der Fall wäre. Die Mieter*innen haben – neben der höheren Partizipationsmöglichkeit – gemeinsam für das Haus, dessen Instandhaltung, substanzielle Verbesserung und sozio-kulturelle Entwicklung Sorge zu tragen. Wir sind der Meinung, dass sich heterogene Wohngemeinschaften nicht erzwingen lassen, sondern von den Bewohner*innen selbst bestimmt werden müssen. Selbstverwaltung meint die gleichberechtigte Mitbestimmung aller aktiv Beteiligten, unabhängig von der finanziellen Beteiligung (keine formelle Hierarchie, keine Vorzugsrechte). Die dafür erforderliche Transparenz der betrieblichen Vorgänge. Selbstorganisation bietet den Mieter*innen die Möglichkeit, ihren Bedürfnissen Genüge zu tun und fördert höchste Partizipationsmöglichkeiten. Da die Selbstorganisation durch Privateigentum bedroht wird, ist eine Verknüpfung mit der Idee der Kapitalneutralisierung bzw. dem Nutzungseigentum unabdingbar.

Die Säule der Solidarität bezieht sich sowohl auf die Hausgemeinschaft selbst, als auch auf die Einbettung dieser in die Gesellschaft. Im alltäglichen Leben wollen wir Raum für gegenseitige Unterstützung schaffen, welcher der Vereinzelung moderner Wohnverhältnisse entgegenwirkt. Gleichzeitig soll über einen Solidartransfer ein Austausch zwischen den einzelnen Projekten geschaffen werden. Dies geschieht zum Einen durch die Unterstützung von neuen Projekten durch bereits etablierte und somit finanziell entlastete Altprojekte mittels eines Solidarumlagebetrags, zum Anderen durch ein ständig wachsendes Netzwerk an Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Kompetenzen.

Das Konzept der Inklusion spiegelt eine ideelle und soziale Rahmung und Haltung wieder. Es zielt darauf ab, Hierarchien transparent zu machen und emanzipatorische Prozesse zu fördern. Dabei baut das Inklusionsmodell auf dem zentralen Wert der Vielfalt auf und definiert diesen als Bereicherung . Mit Vielfalt sind die unendlich vielen verschiedenen Lebenskonzepte und -weisen gemeint, deren Wertschätzung eine Positionierung aufzeigt, die als Leitgedanke eine Orientierung für (soziales) Handeln anbietet. Mit diesem Konzept wird versucht eine konkrete Utopie, bei der sich Menschen mit ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit ebenbürtig begegnen, umzusetzen. Der Freiheits- und Gleichberechtigungsgedanke steht in diesem Zusammenhang im Zentrum des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Die Gleichheit und Wertigkeit jedes*r Einzelnen spiegelt ebenso den Grundgedanken und die Ideale demokratischer Verhältnisse wieder und rückt die Anerkennung des Heterogenen in den Vordergrund. Dadurch bietet das Modell der Inklusion strukturelle Rahmenbedingungen, die die Übernahme von (Selbst-)Verantwortung und -ermächtigung fördern.

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  • Zuletzt geändert: 2017/05/29 11:45
  • von Florian Humer